Foto Publishing-Stammtisch

Publishing-Stammtisch: Die Beziehung zwischen Autor und Verlag unter der Lupe

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Zwischen Autoren und Verlagen scheint sich eine Kluft aufzutun, ausgelöst durch die Umbrüche im Buchmarkt. Die neuen, direkten Veröffentlichungsmöglichkeiten auf Plattformen wie Amazon und XinXii mit wesentlich höheren Tantiemen stärken die Position der Autoren. Die meisten von ihnen sind gut informiert und fragen nun klar nach dem Nutzen, den Verlage ihnen bieten. Und die wiederum befinden sich erstmals in der Situation, ihr Geschäftsmodell erklären und verteidigen zu müssen. Das wurde auf dem 5. Publishing-Stammtisch „Pub ’n‘ Pub Frankfurt“ deutlich.

Full House

Rund 60 Buchmenschen trafen sich am 30. Juli in Frankfurt/Main. Darunter Autoren mit Verlagsveröffentlichungen, Indie-Autoren, Verlagslektoren, freie Lektoren, Mitarbeiter des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, von Literaturagenturen, von Fernsehstationen (WDR und ZDF) – kurz: Es war ein bunt gemischtes und illustres Volk. Der Zulauf war so groß, dass der eigens reservierte Raum nicht ausreichte, und zahlreiche Teilnehmer sich rund um den offenen Zugang drängten (siehe Fotos; Fotograf: Hartmut Ehreke). Die Schriftstellerin und Publizistin Dr. Cora Stephan und Juliane Beckmann (Lektorin bei S. Fischer, zuvor freie Lektorin) gaben zunächst ihre jeweilige Sicht zur Autor-Verlag-Beziehung wieder und eröffneten damit die Diskussion, an der alle Anwesenden teilnehmen konnten.

Gemeinsame Ziele

Natürlich gibt es gemeinsame Ziele, wenn sich so viele buchverrückte Menschen treffen. Alle wünschen sich einen florierenden Buchmarkt und tolle Bücher, die anregen, lehren, unterhalten, berühren. Trotz der nachfolgend beschriebenen Diskrepanzen darf man nicht vergessen, dass es im Grunde allen um gute Literatur und deren Erfolg geht.

Die Autor-Verlag-Beziehung

Foto Publishing-StammtischDr. Cora Stephan hat einige Sachbücher und unter dem Pseudonym Anne Chaplet diverse Krimis veröffentlicht. Ihre Erfahrungen mit den Verlagen waren gemischt. Häufig hätte sie sich mehr Unterstützung erhofft. Sie stellte letztlich die Frage: „Warum wollen alle unbedingt im Verlag veröffentlichen?“ Selbst veröffentlichen sei eine tolle Option, so Stephan. Man könne alles selbst machen oder sich die passenden Dienstleistungen einkaufen, könne sich dabei die Leute sogar selbst aussuchen und behalte die volle Kontrolle.

Autoren unter den Teilnehmern fragten ganz gezielt: Wozu sind Verlage überhaupt noch da? E-Books, Print on Demand, Marketingmaßnahmen im Internet mittels sozialer Netzwerke etc.: All das könne jeder leisten und es beinhalte weit weniger Aufwand als einem früher von den Verlagen weisgemacht wurde. Was leiste also der Verlag überhaupt? Externe Lektoren könne man auch selbst buchen (Beckmann: „Ja, dann müssen Sie ihn aber auch bezahlen.“), das Marketing bleibe sowieso oft an den Autoren selbst hängen und werde inzwischen vonseiten des Verlags auch vom Autor erwartet. Antwort Beckmann: „Der Verlag kümmert sich um das Lektorat und den ganzen Produktionsablauf.“ Auf Nachfrage bestätigte sie, was ein offenes Geheimnis ist: dass bei weitem nicht alle Autoren in den Genuss einer Marketingkampagne seitens des Verlags kommen.

Die Probleme der Autoren

Die Autoren werfen den Verlagen mangelnde Transparenz vor. Niemand sage einem, welchen Publikationsplatz man habe. Nur die Top-Titel bekommen hohe Aufmerksamkeit, bekommen Unterstützung im Marketing, aber kein Verlag sage einem Autor: „Du gehörst nicht dazu.“ Es gebe tolle Versprechungen, aber der Verlag tue nicht viel für den Erfolg des Buches. Insgesamt stelle sich bei 700 Neuerscheinungen pro Jahr in einem Verlag die Frage, welchen Stellenwert die einzelnen Autoren überhaupt noch hätten. Der Frust ist hier bei den Autoren hoch.

Auch mit der Art, in der viele Verlage angebotene Manuskripte ablehnen, sind viele Autoren unzufrieden. Verlage sähen sich nach wie vor als Gatekeeper, als Torwächter zum Buchmarkt, die nur gute Qualität passieren ließen. Dabei seien schon viele gute Manuskripte zunächst abgelehnt worden (bestes Beispiel: Harry Potter), während auf der anderen Seite viel Mist veröffentlicht würde.

Beckmann betonte, dass man sich bei S. Fischer ausreichend Zeit pro Buch nähme und eine hohe Qualität angestrebt werde. Die Lektoren im Haus würden selbstverständlich am Text arbeiten und feilen und hätten durch großzügige Publikationsabläufe auch ausreichend Zeit dazu. Das sei ein Luxus, den sich der Verlag gönne. Dem standen Erfahrungen aus dem Teilnehmerkreis mit anderen Verlagen entgegen: Viele Verlagshäuser haben das Lektorat im Haus ausgedünnt oder ganz ausgegliedert und arbeiten mit freien Lektoren zusammen. Die verstehen zwar auch ihr Handwerk, bekommen aber zu wenig Zeit pro Buch und arbeiten unter zu hohem Zeitdruck.

Die Lektorin eines Sachbuchverlags erzählte aus ihrem Arbeitsalltag: „Wenn ein Sachbuchautor ein Buch vorschlägt, das super ist, ein tolles Thema hat, wenn er aber auch weiß, dass es nur eine ganz genau umrissene Zielgruppe anspricht, die er allesamt in seinen Seminaren erreicht, dann sage ich diesem Autor: ‚Tut mir leid, aber dann weiß ich nicht, was wir da noch für Sie tun können, bringen Sie es am besten selbst heraus, da haben Sie mehr von‘.“ Das wurde von allen Teilnehmern sehr positiv aufgenommen und als fair erachtet. Wenn es sich andererseits um ein Thema handele, das die breite Masse anspreche und das durch die Platzierung im Buchhandel mehr potenzielle Leser finde, so die Lektorin, dann könne der Verlag durchaus helfen, allein schon durch den Zugang in die Buchhandlungen.

Die Probleme der Verlage

Die Publikationszyklen werden immer kürzer. Früher brachten Verlage meist zwei Programme im Jahr heraus. Heute sind es oft vier. Dabei steigt die Zahl der Neuerscheinungen pro Jahr, während der Umsatz pro Buch sinkt. Die Lektorin eines großen Sachbuchverlags sagte dazu: „Früher hat man im Schnitt 10.000 Exemplare von einem Buch verkauft, jetzt ist man froh, wenn es 4.000 sind.“ Auf die Frage, ob man denn nicht den Zusammenhang sehe, dass bei immer mehr publizierten Büchern der Verkauf pro Buch zurückgehe, antwortete sie: „Ja, aber man hofft immer, dass es einen selbst nicht trifft. Man will mit den zusätzlichen Büchern Marktanteile der Konkurrenten abgreifen, aber nicht den durchschnittlichen Verkauf der eigenen Werke reduzieren. Aber das funktioniert so nicht immer. Es muss sich daher sicherlich in naher Zukunft etwas ändern. Immer mehr und mehr Bücher auf den Markt zu werfen, ist der falsche Weg.“

Ich habe es lange als Gerücht angesehen, dass Verlage so viele unverlangt eingesandte Manuskripte bekommen, die völlig am Verlagsprogramm vorbeigehen. Ich habe schlicht nicht glauben können, dass so viele Autoren so unprofessionell arbeiten. Aber genau das scheint der Fall zu sein, denn die Verlage bestätigten es auf dem Publishing-Stammtisch. Demnach ist es teilweise gruselig, was alles unverlangt eingesendet wird. Das landet sofort in der Tonne. Verlage haben (zu recht!) kein Verständnis dafür, wenn Autoren sich nicht einmal die minimale Mühe machen, zu recherchieren, wo ihr Buch hinpassen könnte. Herausragende Werke würden aber auch schon mal an einen anderen Verlag weitergereicht mit den Worten: „Hier, das finde ich toll, es passt bei uns nicht, aber ist das vielleicht was für euch?“

Neben neuen Büchern der Hausautoren und Lizenzen aus dem (meist englischsprachigen) Ausland nehmen die Verlage meist Empfehlungen von Literaturagenturen in ihr Programm auf. Die Literaturagenturen kennen den Markt und die Verlagslandschaft, sie wissen, welches Buch wohin passt und haben bereits auf Qualität geprüft. Die Verlage arbeiten sehr gern mit den Agenturen zusammen. Unverlangt eingesandte Manuskripte haben nur eine sehr geringe Chance. Eine Verlagslektorin berichtete, in ihrem Verlag läge die Quote für eine Veröffentlichung von solchen Manuskripten bei etwa 0,5 Prozent.

Auf die Frage, warum die E-Books aus den Verlagen so teuer seien, antwortete Beckmann, dass mit der Aufnahme von E-Books ins Verlagsprogramm hohe Investitionskosten für neue Software und die Umstellung der gesamten Infrastruktur einhergingen.

Für Verlagsautoren scheint die schlimmste Zeit im Publikationszyklus die kurz vor Erscheinen des Buches zu sein. Wenn alles fertig ist, die Korrekturfahnen abgesegnet sind, es aber noch sechs Wochen dauert, bis das Buch erscheint, dann müsse man oft Händchen halten, so zwei Mitarbeiterinnen eines Sachbuchverlags in kleiner Diskussionsrunde. Der Autor könne in dieser Phase nichts mehr machen, keine Änderungen vornehmen. Manche riefen dann mehrfach pro Tag nahezu aufgelöst im Verlag an und fragten, ob alles in Ordnung sei.

Was ich aus der Diskussion mitnehme

  • Autoren, die ernsthaft eine Karriere mit dem Schreiben verfolgen wollen, müssen sich professionalisieren, sich informieren, professionell handeln.
  • Es gibt nicht den einen richtigen Weg zur Veröffentlichung. Je nach Buch (Sachbuch, Belletristik, Genre) und Zielgruppe kann der eine oder ein anderer Veröffentlichungsweg sinnvoll sein.
  • Verträge mit Verlagen sollten genau geprüft werden.
  • Autoren sollten nicht auf mündliche Zusagen (beispielsweise bezüglich Unterstützung im Marketing) vertrauen, sondern die genauen Maßnahmen im Vertrag festhalten lassen.

Ich freue mich über Kommentare!


Weitere Infos und Ankündigungen der nächsten Termine:
http://pubnpub.de/


Fotos: Hartmut Ehreke


6 Kommentare

  1. Ein toller Blog mit klasse Informationen! Was die Autorenkarriere betrifft, so bestätigt dieser Eintrag meine eigenen Überlegungen bzw. Befürchtungen. Jetzt nochmal „umzusattlen“ in der vagen Hoffnung, irgendwo mal aufzutauchen und vielleicht sogar auf Bezahlung zu hoffen, dazu fehlt mir vermutlich der Biß und auch das Selbstvertrauen. Ist schon in Sachen Musik sehr, sehr ernüchternd. Und ich selbst hab ein Problem damit, mich selbst anpreisen zu müssen. Also insofern: Danke für die Warnung, die mich vor der nächsten großen Ernüchterung bewahrt! ;)

    1. Hallo Werner,

      zunächst einmal danke für das Lob, das mich sehr freut! :)

      Entmutigen oder abschrecken möchte ich mit diesem Blog niemanden, ganz im Gegenteil. Ich finde es aber wichtig, die Fakten zu kennen, zu wissen, wie die Branche tickt und wie was funktioniert. Und sicherlich läuft nicht alles optimal – aber in welcher Branche oder in welchem Unternehmen ist das schon so? Verlage sind zunächst einmal Wirtschaftsunternehmen, die ein Produkt (Buch) auf den Markt bringen und daran Geld verdienen wollen. Soweit alles okay. Ob dann aber die Verlage den Verträgen angemessene Leistungen erbringen, wie die erzielten Erlöse verteilt werden und ob das alles immer gerecht ist, ist wieder eine andere Sache. Da ist aus Autorensicht sicherlich häufig noch Optimierungspotenzial. ;)

      Die gute Nachricht aber ist: Nie war es für Autoren einfacher als heute, Leser für die eigenen Werke zu finden. Autoren haben heutzutage viel mehr Möglichkeiten, zu veröffentlichen. Und sie können in direkten Austausch mit den Lesern treten, sie können selbst viel dazu beitragen, dass ihr Buch ein Erfolg wird. Es gibt keine Kommunikationsschranken mehr. Über Blogs, Facebook, Twitter, Google+ und Konsorten kann jeder mit jedem kommunizieren. Man ist nicht mehr darauf angewiesen, dass das Feuilleton das Buch bespricht, damit es bekannt wird. Wobei das auch immer schon nur ein kleiner Schubs in Richtung Bekanntheit war. Einen Bestseller kann und konnte auch eine Rezension im Feuilleton nicht garantieren. Dazu gehört Mund-zu-Mund-Propaganda, die einsetzt oder auch nicht. Voraussetzung ist ein sehr gutes Werk oder zumindest eines, das den Nerv eines breiten Publikums trifft. Und zunächst müssen wenigstens einige das Werk entdecken, die es dann weiterempfehlen. Damit das passiert, kann der Autor nun selbst für eine größtmögliche Sichtbarkeit sorgen.

      Die schlechte Nachricht: Ja, der Autor muss selbst im Marketing aktiv werden – ob er traditionell über einen Verlag veröffentlicht oder als Self-Publisher, ist dabei egal. Für viele Autoren oder Künstler klingt das zunächst beängstigend, denn die meisten Künstler sind introvertiert und keine geborenen Verkäufer. Aber so schlimm ist das gar nicht. Denn man kann ganz viel über die oben beschriebenen Kanäle bequem von zu Hause aus machen. Man muss also nicht Auge in Auge eine Werbeshow abziehen (die vermutlich eh keinen Erfolg hätte, weil die meisten inzwischen werbemüde sind). Menschen kaufen von Menschen, die sie kennen, die sie mögen und denen sie vertrauen. Um diese Voraussetzungen zu schaffen kann man zum Beispiel über social media netzwerken, Beziehungen aufbauen, Kontakte pflegen und sich einfach als der nette Mensch präsentieren, der man ist (Authentizität ist wichtig!). Und dann gehört einfach auch eine Portion Glück dazu.

      Im Grunde gab es nie eine bessere Zeit, Autor zu sein, als heute. Mehr Möglichkeiten, mehr Kontrolle, mehr direkte Kontakte. Um wirklich erfolgreich zu werden und eventuell ein signifikantes Einkommen aus dem Schreiben zu erzielen, muss man viel Zeit investieren. Zunächst ins Erlernen des Handwerks, dann in das Schreiben selbst (von den Tantiemen eines Buches kann fast niemand leben, alle erfolgreichen Schriftsteller sind sehr produktiv und haben viele Bücher am Markt) und schließlich ins Marketing. Das Romanschreiben ist sicher kein Weg, schnell reich zu werden. Aber wen zig Geschichten quälen, die erzählt werden wollen, wer nicht anders kann, als zu schreiben, der wird auf längere Sicht auch erfolgreich sein, sofern er nicht zu schnell aufgibt. Wenn du also zu dieser Sorte gehörst, dann lass dich von diesem Beitrag bitte nicht entmutigen!

  2. Danke für den informativen Beitrag. Ich habe zwar keine persönlichen Erfahrungen mit Verlagen, verfolge aber sehr intensiv, wie AutorInnen von ihren Verlagserfahrungen und dem Self Publishing berichten. Das deckt sich vielfach mit deiner Zusammenfassung, die Unruhe ist überall zu spüren. Ich teile absolut deine Meinung, die du im Kommentar zeigst. Es braucht eine Zeit des Umdenkens bei den AutorInnen, aber das wird schon. Spätestens wenn der Kindle Weihnachten massenhaft unterm Baum liegt. Die Dienstleistungen werden sich vielleicht anders verteilen, neben dem Schreiben, das ja sehr zeitintensiv ist,kann auch nicht jeder die Werbung und seine Präsenz im Internet aus dem Ärmel schütteln. Müssen dann andere für sie tun, und das kostet dann auch wieder Geld. LG Henny

    1. Hallo Henny,
      danke für deinen Kommentar! Ja, ich bin auch ein Fan davon, manche Tätigkeiten an Profis auszulagern. So kann niemand, auch kein Bestsellerautor, der schon 30 Jahre im Geschäft ist, seine eigenen Texte lektorieren. Ich selbst beschäftige mich gern mit technischen Dingen, für wen das aber ein rotes Tuch ist, sollte die E-Book-Erstellung vielleicht auch besser auslagern. Und ein hochwertiges Cover bekommen Grafiker besser hin. Ich finde es wichtig, dass auch Self-Publisher darauf achten, ein Qualitätsprodukt auf den Markt zu bringen.
      Danke für deine Gedanken und beste Grüße
      Kerstin

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