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Selfpublishing: arte befeuert verzerrte Wahrnehmung in der Öffentlichkeit

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Schade, dass der Öffentlichkeit immer noch ein verzerrtes bis falsches Bild über das Selfpublishing präsentiert wird – auch seitens eines TV-Senders, dem ich bisher als einem der wenigen eine seriöse Recherche und Berichterstattung zugetraut habe. Am Mittwoch, 16. April, zeigte arte einen Beitrag über Selfpublishing und Amazon als neuen Verlag. Doch die Berichterstattung war einseitig und sollte augenscheinlich nur ein bereits bestehendes Vorurteil untermauern.

Der Beitrag mit dem Titel „Storyseller – Wie Amazon den Buchmarkt aufmischt“ kann noch einige Tage in der Mediathek von arte abgerufen werden. Zu Wort kommen unter anderem einige sehr erfolgreiche Selfpublisher, darunter Emily Bold, die inzwischen auch einen Verlagsvertrag mit Amazon Publishing hat. Leider ist die Berichterstattung sehr einseitig und gerät mehr zu einer Amazon-Kritik als zu einem ausgewogenen Bericht über die heutigen Möglichkeiten. Genau das kritisiert auch die Frankfurter Rundschau, die der arte-Reportage einen Mangel an Differenziertheit bescheinigt und aufführt, welche wesentlichen Infos zur Branche in dem Beitrag verschwiegen werden, damit ein einseitiges Bild entstehen kann. Und auch Emily Bold als Protagonistin in dem Beitrag zeigt sich enttäuscht über das Resultat, da sie die Dreharbeiten ganz anders erlebt hatte. Sie schreibt beispielsweise auf ihrem Blog: „Leider aber war die Berichterstattung sehr einseitig und schien klar auf ein vordefiniertes Ziel ausgerichtet: Amazon als den bösen Monopolisten hinzustellen, der den Buchhandel und die Verlage mit aller Macht zerstören will. Das ist äußerst schade, denn ich weiß nicht, in wie vielen Szenen der Dreharbeiten ich mich ganz deutlich dazu geäußert habe, dass für mich Amazon KDP wohl der größte Glücksgriff meines Lebens war.“ Und weiter schreibt sie: „Ich wurde als Suchender dargestellt – obwohl ich längst angekommen bin.“

Da hat arte sich keinen Gefallen getan. Und der Branche auch nicht. Damit meine ich nicht nur die Selfpublisher und die Anbieter von Plattformen, auf denen diese veröffentlichen können (und da gibt es nun mal sehr viel mehr als nur Amazon – einige davon stammen sogar von großen Publikumsverlagen, was der Beitrag aber geflissentlich ignoriert), sondern auch die Buchhändler und Verlage, auf deren Seite sich die verantwortliche Redakteurin anscheinend schlagen wollte. Denn die Wahrheit zu beugen, um zu der gewünschten Aussage zu kommen, die Hauptaussagen der Interviewten komplett auszublenden und andere Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen darzustellen, all das hinterlässt insgesamt einen schlechten Nachgeschmack – und in dieser Form lässt es die Verlage und Buchhandlungen passiver und rückwärtsgewandter erscheinen, als sie tatsächlich sind. Wie schon erwähnt gibt es durchaus Traditionsverlage, die die neuen Möglichkeiten nutzen und sich hier ein weiteres Geschäftsfeld erschließen. Eine ausgewogenere Berichterstattung hätte allen Branchenbeteiligten nur gutgetan.


Hast du den Beitrag auch gesehen? Was hältst du von Selfpublishing und Amazon als Verlag? Siehst du beides als positive Ergänzung oder als Bedrohung für gewachsene Strukturen? Ich freue mich über Kommentare!


Bildnachweis: almoond / depositphotos.com


7 Kommentare

  1. Ich habe diesen Bericht ebenfalls gesehen und kann die kritischen Gedanken dazu gut verstehen.
    Bemerkenswert fand ich beispielsweise, dass der Bericht sich eigentlich nur auf Amazon-Publishing bezog, dazu kdp als Möglichkeit für Autoren nannte, ihr Ebook heutzutage allein zu vertreiben, aber Createspace thematisch völlig ausgeklammert wurde. Als würde man mit der Information gern hinterm Berg halten, dass Selfpublisher auch einfachst die Möglichkeit haben, „echte Bücher“ unters Volk zu bringen.
    Oder Emilys ergebnislose Odyssee durch Londoner Buchläden, nur um ihr Buch dort nicht zu finden… Dazu ging mir durch den Kopf: Diesen Teil des Berichts hätte man aber auch in Deutschland drehen können, exemplarisch mit dem Autor eines deutschen Kleinverlags, der seine Bücher ebensowenig in deutschen Buchläden findet.

    Aus obenstehendem Satz kann man auch, zumindest teilweise, meine Antwort auf die zum Beitrag gestellten Fragen erlesen. Ich befürworte Amazon und die Möglichkeiten, die sich dadurch für Autoren bieten. Auch die immer wieder aufkommende Frage, ob das am Ende nicht der verlegerischen Vielfalt in unserem Land schaden würde, würde ich verneinen. Wie soll es denn der Vielfalt schaden, wenn mehr Menschen die Möglichkeit haben, das auch zu publizieren, was aus ihrer Feder drängt?
    Der Trend geht leider dahin, Verlage als „Wohltäter der Literatur“ darzustellen, den bedrohten Buchhandel als eine Quelle exquisiter, fachkundiger Beratung und Stütze der vielfältigen Publikationen. Dabei wird gerne vergessen, dass auch Verlage, insbesondere die Giganten darunter, großteils nicht innovativ gewagte, neue Programme auf die Beine stellen und Autoren über alle Maßen fördern, sondern auch nichts anderes als witschafts- und umsatzorientierte Unternehmen sind, die sich auf das stürzen, wovon sie glauben, das ließe sich in rauen Mengen verkaufen – mainstream-orientiert eben. Und dass die Bücher der vielen kleinen Verlage, die bislang dafür sorgen, dass es Vielfalt gibt, meist gar nicht in den Läden zu finden sind. Diesbezüglich kann ich also auch keinen allzugroßen Nachteil für die Amazon-Autoren erkennen, deren Bücher der Handel boykottiert.

    1. Danke schön für den differenzierten Kommentar, der noch einige gute und wichtige Punkte aufführt, in denen die Berichterstattung ebenfalls hinkte.

      Ich sehe es auch so, dass Amazon Autoren tolle neue Möglichkeiten bietet. Aber nicht nur Autoren, sondern auch Lesern. Denn zumindest momentan sieht es eher so aus, dass durch diese neuen Möglichkeiten ungewöhnliche Werke mit frischen Erzählstimmen erst eine Chance erhalten – die sie im traditionellen Literaturbetrieb nicht hatten und haben, weil zumindest die großen Publikumsverlage vorrangig nur nach der x-ten Variante eines tatsächlichen oder vermeintlichen Trends suchen. Da sind wir einer Meinung und ich freue mich sehr, dass du als erfolgreiche und für Preise nominierte Selfpublisherin dazu beiträgst, das schiefe Bild in der Öffentlichkeit geradezurücken.

      Ich finde dieses Schwarz-Weiß, wie es der arte-Beitrag suggeriert, einfach falsch. Amazon die böse Krake, Verlage und der Buchhandel sollen die Guten sein, die unverschuldet unter Druck geraten. Dazu hast du ja schon einige Punkte genannt, die diese Sichtweise relativieren. Ich finde aber auch, dass die gegenteilige Sicht falsch wäre: Amazon der große Wohltäter und Verlage sind faul, verschlafen die aktuelle Entwicklung und bieten ihren Autoren überhaupt keinen Mehrwert, der die geringeren Tantiemen rechtfertigen würde. So sehe ich es auch nicht. Ich mag Verlage. Ich wünsche mir, dass es weiterhin Verlage gibt. Und Buchhandlungen – wobei ich gestehen muss, dass ich meine Bücher inzwischen zu mindestens 95 Prozent per Download als E-Books beziehe. Es ist nun mal praktischer. Aber wie gesagt: Ich hoffe, dass diese traditionellen Player nicht gänzlich aussterben. Ich verstehe nur diese Grabenkämpfe nicht. Ich denke, im Buchmarkt ist Platz für mehrere Konzepte und Geschäftsmodelle, die friedlich nebeneinander existieren können. Vielleicht wird für manche dann der Anteil am Kuchen etwas kleiner, während andere sich Stücke erobern können, aber ich denke, dass für jedes Modell ein Marktanteil da ist. Hoffentlich pendelt sich das alles ein und diese permanenten Schuldzuweisungen und zum Teil kriegslüsternen Äußerungen hören auf. Verlage haben für typische Midlist-Autoren nicht genügend Programmplätze, um ausreichend Bücher von ihnen veröffentlichen zu können, damit die auch davon leben können. Manche Verlage sind inzwischen einverstanden damit, dass die Autoren parallel zu den Verlagsveröffentlichungen weitere Werke im Selfpublishing herausbringen. Bei einem anderen Verlag, also einem, der eine Ausschlussklausel für solche Veröffentlichungen in den Vertrag schreibt, würde ich gar nicht veröffentlichen. Dieses hybride Modell, von dem schon viele Autoren sehr gut leben, dürfte die Zukunft sein. Man sieht also: Es muss nicht nur das eine oder das andere sein. Beides kann auch gut nebeneinander existieren.

      Nochmals herzlichen Dank für deinen Kommentar!
      Kerstin

  2. Wir sind da ziemlich einer Meinung. Ich existiere ja quasi auch „in beiden Welten“ und habe sowohl schon mit als auch ohne Verlag gearbeitet. Aus wirtschaftlicher Sicht fahre ich derzeit besser, wenn ich allein (also via Amazon) veröffentliche, deshalb tendiere ich aktuell wieder dazu, aber auch die Arbeit mit einem professionellen Verlag hat ihre Vorzüge. Ich kam beispielsweise zweimal in den Genuß, Herrn Sonderhüsken, der als Programmleiter bei dotbooks tätig ist(vormals Heyne und Knaur), als Lektor zu haben. Er brachte unschätzbar viel Know How und ein „Branchenwissen“ mit, das er partiell freizügig mit mir teilte und ich bin dankbar für alles, was ich daraus lernen konnte. Als Selfpublisher hat man so nen „“fachkundigen besten Freund fürs eigene Buch“ meist nicht, oder muss eben selbst Vorkasse leisten. Einer von vielen Punkten… Hat alles seine Vor- und Nachteile.
    Darüber hinaus gibt es „etabliertere Autoren“ als mich (ich bin ja quasi immer noch Frischling), die nun ihre von den Verlagen längst vergessene Backlist wieder auflegen. So finden auch ältere Bücher wieder zurück auf den Markt. Kann man ja auch mal positiv erwähnen.
    Ich sehe ebensowenig Amazon als Wohltäter an, wie einen Verlag, der mir eine Chance gibt, von der ich denke, sie zu ergreifen bringt mich voran. Beide verdienen schließlich am Ende an dem, was ich schreibe.
    Wünschenswert wäre, da die meisten Autoren wirklich nicht allzuviel verdienen, wenn die neue Marktmacht Amazon, statt viel Gejammer, auch ein wenig Bewegung ins alteingesessene Verlagsgeschäft bringen würde. Vielleicht werden die Verlage ihre Konditionen für Autoren ein wenig verbessern müssen, um dauerhaft nicht an Attraktivität für die Kreativen zu verlieren – aber daran kann ich beim besten Willen nichts Schlechtes erkennen. Oder eben nicht nur dem nächsten Trend hinterherhecheln, sondern verstärkt nach außergewöhnlichen Manuskripten suchen, weil durch die Möglichkeiten des Selfpublishings auch das Tempo steigt.
    Früher mag es normal und sinnvoll gewesen sein, ein Programm Jahre im Voraus zu planen. Heute wittern auch die SPler die Trends und bedienen die Nachfrage. Ich glaube also, dauerhaft wird das alles zwangsläufig zu mehr Freiheiten, besserer Bezahlung und mehr Flexibilität im Verlagsgeschäft führen.
    Wie du siehst, möchte ich gerne mit einem utopischen Gedanken schliessen, in der Hoffnung, das ganze entwickelt sich nicht doch zum Katastrophenszenario ;)

    1. Die Erfahrung, die du mit Herrn Sonderhüsken als Lektor gemacht hast, ist natürlich Gold wert. Was man bei einer solchen Zusammenarbeit lernt, hilft natürlich nicht nur bei dem Manuskript, um das es aktuell geht, sondern auch bei allen weiteren Werken – egal ob die als Verlagsveröffentlichung oder selbst herausgebracht werden. So einen Mentor – so könnte man es wohl nennen, auch wenn es temporär war – wünscht sich sicher jeder.

      Ich glaube also, dauerhaft wird das alles zwangsläufig zu mehr Freiheiten, besserer Bezahlung und mehr Flexibilität im Verlagsgeschäft führen.

      Darauf hoffe ich auch. :)

      1. Hi Kerstin und die anderen Leser/Kommentatoren,

        habe mal gerade quer gelesen, und ich kann Euch Eure Vermutungen über die „arte“ Reportage als Fernsehschaffende (öffentlich-rechtlich) nur bestätigen. Viele Berichte müssen genauso tendenziös abgeliefert werden, wie sich die Redaktion/Autor das von Vornherein festlegt, und es gibt seit einigen Jahren meiner Meinung nach eine Tendenz zu einer Art Pseudokritik, das heißt, es geht gar nicht um das Thema in diesem Fall „selfpublishing – und seine Möglichkeiten und Geschichten, sondern im Vorfeld wird dann eher so etwas beschlossen wie: „Hey, wir müssen mal wieder was Negatives über Amazon machen“ Die völlig blödsinnige Tendenz, eine – in diesem Fall – ja wohl sehr bewusste und erfolgreiche Autorin als „Suchende“ darzustellen, hat dabei folgenden Hintergrund: Irgendwann mal haben alle Redakteure Dramaturgie Seminare machen müssen und wurden mit der „Heldenreise“ bekannt gemacht… alles klar… Da muss dann halt mal zugunsten des dramaturgischen Strangs mal eben unter den Tisch fallen, dass die erfolgreiche Autorin Emily Bold offensichtlich ganz andere positive Erfahrungen in der Branche gemacht hat… Kerstin, manchmal bin ich selber erstaunt, dass Menschen sich überhaupt noch dem Fernsehen und ihren Machern anvertrauen, habe gerade mit Hunden und Hundehaltern am Wochenende gedreht „was Hundehalter ärgert…“ ja, es gab auch ein Konzept, aber gottseidank dürfen die Menschen so sein, wie sie sind und ich muss sie nicht in einen anderen pseudokritischen Kontext setzen…Gruß, Anja

        1. Hallo Anja,

          danke für die Einblicke aus erster Hand! Bei den privaten Fernsehsendern erwartet man es ja fast nicht anders, aber irgendwie war ich doch erstaunt, dass solche Vorgehensweisen inzwischen anscheinend auch bei öffentlich-rechtlichen Anstalten angewendet werden. Es kommt sicherlich auch noch auf das genaue Format an, aber gerade bei einer Doku bei arte war ich dann doch schockiert. Aber gut, man sollte eh keinem Medium blind trauen …

          Nochmals danke für deinen Kommentar und liebe Grüße
          Kerstin

  3. Es ist schön zu sehen, dass jemand darauf aufmerksam macht, aber schau Dir die Zahlen an. Da zeigt jemand, den niemand sieht, wie böse jemand ist, der jemanden bedroht, den keiner mehr braucht….
    In dem Fall regelt der Markt das selber (funktioniert leider viel zu selten). Die Verlage sind tot; sie wissen es und betreiben derzeit ALLE eine Art Insolvenzverwaltung. Also nicht böse sein, Arte trifft es auch, aber weil öffenrechtlich viel später als der Markt es hergibt.

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