Der Oktober ist gerade vorüber – und damit der Monat, in dem jährlich die weltweit größte Buchmesse in Frankfurt stattfindet. Früher hieß das vor allem, dass viele neue Bücher vorgestellt wurden. Doch durch den Wandel, in dem sich die Branche mittlerweile befindet, beschränken sich die Neuigkeiten nicht mehr auf Cover und Titel. Dieses Jahr gab es einige Unternehmensgründungen, neue Geschäftsmodelle der etablierten Marktteilnehmer und einen sichtbaren Wandel in der Wahrnehmung unterschiedlicher Veröffentlichungsoptionen zu beobachten. Die interessantesten News gibt es diese Woche aufgrund der Fülle in zwei Teilen. Die vielleicht wichtigste Erkenntnis: Die Grenzen zwischen Verlagsveröffentlichung und Selfpublishing verschwimmen immer mehr.
Selfpublishing-Area auf der Frankfurter Buchmesse
Schon im letzten Jahr hielten einige Akteure die Themen E-Books und Selfpublishing auf der Frankfurter Buchmesse hoch, allen voran natürlich neobooks (die Selfpublishing-Plattform von Droemer Knaur), epubli und weitere Dienstleister. Doch in diesem Jahr gab es erstmals eine große Selfpublishing-Area in einer der Haupthallen mit vielen Vorträgen, Diskussionsrunden, Workshops und Präsentationen rund um das Thema. Natürlich wurden dabei die erfolgreichen Aushängeschilder präsentiert, allen voran Nika Lubitsch und Emily Bold – sowie Selfpublishing-Superstar Hugh Howey aus den USA. Auch Nele Neuhaus, die inzwischen als Bestsellerautorin bei Ullstein veröffentlicht, erzählte von ihren Anfängen als Selfpublisherin.
All das zeigt: Das Thema wird nun ernst genommen und kommt langsam aus der Schmuddelecke, in die es früher gesteckt wurde.
Verlage mit angegliedertem Selfpublishing
Auch die Verlage entdecken das Thema Selfpublishing mehr und mehr für sich. Während es früher noch hieß, dass ein Autor sich lebenslang für den „seriösen“ Veröffentlichungsweg verbrennt, wenn er ein Werk selbst publiziert, ist genau das für viele Verlage inzwischen der Hauptweg, neue Talente für sich zu entdecken. Immer mehr Verlage bekennen freimütig, die Bestsellerränge nach erfolgreichen Selfpublishern zu durchforsten, die man dann für das eigene Programm anwerben will. Und immer mehr Verlage bauen eine eigene Selfpublishing-Plattform auf. Nach neobooks (Droemer Knaur), die schon seit 2010 am Markt sind und damit in Deutschland eine Vorreiterrolle in dieser Disziplin einnehmen, ziehen nun andere nach: Egmont will Anfang kommenden Jahres mit einer solchen Plattform an den Start gehen, Carlsen hat gleich zwei Imprints gegründet, die reine E-Book-Labels sind, und für die man gezielt unter den Selfpublishern Autoren sucht.
100 Fans: Mit Crowdfunding zum Verlagsvertrag
Die Grenzen zwischen Selfpublishing und Verlagsveröffentlichung verschwimmen auch bei der neuen Plattform 100 Fans der Münchner Verlagsgruppe. Autoren können hier ihr Werk vorstellen und wie bei Crowdfunding-Plattformen üblich um Unterstützung bitten. Wer 100 Unterstützer (Fans) für sein Projekt gewinnen kann, erhält einen Verlagsvertrag für ein E-Book mit allen üblichen Verlagsleistungen: professionelles Lektorat, Formatierung, Herstellung, auch das Cover. Bei allem soll der Autor Mitspracherecht haben. Ob das Werk auch gedruckt wird, entscheidet die Nachfrage. Bei 1.000 oder mehr Fans gibt es auf jeden Fall auch eine gedruckte Ausgabe. Die Verantwortlichen werben für ihre neue Plattform damit, dass anders als bei anderen Crowdfunding-Plattformen bei 100fans.de nur Bücher präsentiert werden, sodass Autoren und interessierte Leser beziehungsweise Unterstützer besser und schneller zusammenfinden. Zudem sollen Autoren höhere Prozente vom Verkaufspreis als Tantiemen bekommen als bei einem herkömmlichen Verlagsvertrag.
Meine persönliche Meinung zu diesem Modell: Der Ansatz ist durchaus interessant. Aber ich finde, der Verlag kommt hier seinen ureigensten Aufgaben – zumindest was die Auswahl betrifft – nicht nach. Der Verlag lagert die Auswahl dessen, was eine Veröffentlichung wert ist, aus. Die Autoren müssen erst beweisen, dass sie erfolgreich sind beziehungsweise werden können, bevor sie einen Vertrag bekommen. Aber wozu braucht jemand, der eine eigene Fanbasis hat und anscheinend erfolgreich Marketing betreiben kann, einen Verlag? In einem Punkt mag sich das Konzept für den Autor lohnen: Wenn eine Printausgabe erscheint und das Werk von den Buchhandelsvertretern in den Buchhandlungen beworben wird, denn dort kommt ein Selfpublisher in der Regel nicht hinein. Aber nur für ein E-Book empfinde ich das Konzept als nicht besonders interessant für Autoren. Wer erst erfolgreich Crowdfunding betreiben muss, kann mit dem so gesammelten Geld selbst ein Lektorat und ein professionelles Cover beauftragen, behält in der Folge alle Rechte am Werk – und nochmals wesentlich höhere Tantiemen als bei 100 Fans.
Bookrix zahlt Vorschüsse
Hatte ich schon erwähnt, dass die Grenzen zwischen traditioneller Verlagsveröffentlichung und Selfpublishing verschwimmen? Hier ein weiteres Beispiel: BookRix zahlt nun ausgewählten Selfpublishern Vorschüsse für ihre nächsten Werke. Dazu dürfen die Autoren das Werk oder die Reihe – je nachdem, wofür der Vorschuss gilt – ausschließlich bei BookRix einstellen. BookRix Selected heißt das Programm, mit dem der Dienstleister besonders erfolgreiche Autoren an sich binden möchte – ähnlich wie Amazon das mit KDP Select macht.
Mit diesem Coup bringt BookRix ein ganz neues Modell ins Gespräch. Die Veröffentlichungsplattform für E-Books, die zunächst mit einem für Autoren recht unattraktiven Angebot gestartet war (bei Veröffentlichung wurden im Gegensatz zu vielen Mitbewerbern Startgebühren fällig, die Tantiemenmodelle waren nicht wettbewerbsfähig), hat nach einiger Kritik eine Kehrtwende vollzogen und die Konditionen wesentlich verbessert, unter anderem indem die Startgebühren gestrichen wurden. Und nun zahlt Bookrix ausgewählten Autoren sogar einen Vorschuss – wie das bisher ausschließlich Verlage taten. Autoren sollten dabei jedoch immer die Bindung an den Dienstleister beachten. Für jemanden, der beispielsweise 90 Prozent seiner Verkäufe über andere E-Book-Shops realisiert, ist das Angebot sicherlich nicht interessant. Es bleibt aber definitiv spannend, wie andere Distributionsplattformen darauf antworten werden.
Neue E-Book-Plattform nur für Selfpublisher
Gegen den Trend, traditionelles Veröffentlichen und Selfpublishing immer weiter aneinander anzunähern, stellt sich die neue E-Book-Verkaufsplattform Libiro, die Autor Ben Galley gegründet hat. Seine Überlegung: Auf Plattformen wie Amazon konkurrieren die Titel von Selfpublishern mit denen aus den Verlagen. Indie-Autoren seien aber schon rein finanziell den Verlagen bei den Marketingmöglichkeiten unterlegen – und damit im Kampf um die Bestsellerränge benachteiligt. Daher hat er eine Verkaufsplattform nur für selbst veröffentlichte Bücher geschaffen: Sie eliminiere die Konkurrenz seitens der Verlage und unterstütze das Konzept des Selfpublishing.
Ich denke, dass auch selbstpublizierte Bücher so gut sein sollten, dass sie mit Verlagstiteln mithalten können. Ich finde es aber interessant, dass gerade jetzt, wo die Grenzen zwischen den Veröffentlichungswegen von allen Seiten aufgeweicht werden (Autoren, Verlage, Distributionsplattformen und Dienstleister), immer noch neue Konzepte geboren werden, die die Mauern wieder hochziehen. Wobei ich die Überlegungen hinter der Gründung durchaus nachvollziehen kann.
Wie beurteilst du die Änderungen in der Branche? Siehst du auch das Stigma des Selfpublishing schwinden? Was bevorzugst du: Verlagsveröffentlichung oder Selfpublishing? Ich freue mich über Kommentare!
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Der zweite Teil der Branchennews
Bilder: Kerstin Brömer (aufgenommen auf Frankfurter Buchmesse 2012)
Hallo Kerstin,
mir bietet SP viele neue Möglichkeiten, die ich auch als langjährige Verlagsautorin gerne nutze – auch zum Vorteil meiner Leser, die dadurch vergriffene Titel wieder lesen können. Außerdem kann ich neue Titel veröffentlichen und mir dabei selbst die besten Konditionen aussuchen.
Das ist übrigens ein Punkt der mich immer wieder verblüfft: dieser ausgeprägte Wunsch vieler SP endlich „Verlagsautor“ zu sein. Da werden dann zum Teil haarsträubende Konditionen bei obskuren Verlagen hingenommen.
Ich wünsche da einigen meiner Kollegen etwas mehr Selbstbewusstsein und Vertrauen in den Wert der eigenen Arbeit.
Hallo Myra,
so sehe ich das auch. Selfpublishing und Verlagsveröffentlichungen müssen sich nicht gegenseitig ausschließen und Grabenkämpfe sind unnötig. Ich strebe ein Modell ähnlich deinem an: Als Hybridautor das beste aus beiden Welten vereinen – je nach Werk und Zielgruppe das passende Veröffentlichungsmodell. Wobei ich nie nach einem Verlagsvertrag als Selbstzweck schielen würde. Auch wenn ich kleine, unabhängige Verlage sehr schätze, weil viele davon mit Leidenschaft und Herzblut Bücher machen: Wenn ein Verlag mich im Marketing nicht unterstützen kann, weil das Budget nicht da ist, und vor allem meine Werke nicht in den Buchhandlungen platzieren kann, dann ist das für mich keine Option als Autorin. Lektorat, Covergestaltung etc. kann ich selbst von hervorragenden Freiberuflern ausführen lassen. Der Vorteil, den Verlage bieten (und ich mag Verlage, immerhin sind da buchbegeisterte Menschen tätig, die wie ich gute Bücher an Leser vermitteln möchten) ist die Platzierung im Buchhandel. Für mich heißt das: entweder Veröffentlichung in einem großen Publikumsverlag oder Selfpublishing.
Ich mag dein Statement zu Selbstbewusstsein und Vertrauen in den Wert der eigenen Arbeit. Das kann ich nur unterschreiben.
Lieben Dank für deinen Kommentar!